Digital Detox: Warum es schwerfällt, das Handy wegzulegen (2024)

Digital Detox:Warum es schwerfällt, das Handy wegzulegen

von Torben Heine

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Bis zu 43 Stunden in der Woche nutzen Jugendliche ihr Smartphone. Immer mehr junge Menschen wollen diesem Sog entkommen, doch das ist nicht so leicht. Eine Expertin erklärt, warum.

Digital Detox: Warum es schwerfällt, das Handy wegzulegen (1)

Junge Mädchen verbringen rund 43 Stunden pro Woche am Handy.

Quelle: PantherMedia

Wieder einmal stundenlang durch Social-Media-Feeds gescrollt, belanglose Spaßbilder und -videos an Freunde verschickt. Sie kennen das? Kein Wunder, denn so geht es vielen Menschen hierzulande, vor allem Jugendlichen: Laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Postbank sind Jungen zwischen 16 und 18 Jahren rund 31 Stunden in der Woche mit ihrem Smartphone im Internet unterwegs, Mädchen sogar rund 43 Stunden.

Nicht die gesamte Zeit am Handy ist verschwendet. Aber: Das Problembewusstsein für ungesunde Mediennutzung scheint bei jungen Menschen zu wachsen, wie einige Beispiele zeigen.

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Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene verbringen weitaus mehr Zeit an Bildschirmen, als Experten empfehlen. Welche Folgen hat das für die Entwicklung?23.02.2024 | 4:14 min

Viele wollen Mediennutzung einschränken

Das beliebte kürzlich gelöschte Profil "@get_off_ig_daily" (etwa: "täglich von Instagram loskommen") erinnerte - ironischerweise auf Instagram selbst - seine Follower immer wieder daran, ihre Freizeit nicht auf der Plattform zu verschwenden.

Die "New York Times" berichtete über den "Luddite"-Club, in dem sich Jugendliche treffen, um "analog" Zeit ohne Smartphone miteinander zu verbringen. Und auch Handyhersteller bemerken einen Wandel: Der Absatz sogenannter "Dumbphones" - Handys mit reduzierten Funktionen - steigt, auch wenn Smartphones den Markt noch immer klar dominieren.

  • "Dumbphones" sind Handymodelle, die sich auf wesentliche Funktionen wie Telefonie, SMS-Dienste und gegebenenfalls eine Kamera beschränken. Zugang zu App-Stores und damit zu Social-Media-Plattformen bieten sie nicht.
  • Der Nokia-Hersteller HMD Global gibt an, dass sich sein Absatz von Klapphandys in den USA im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt habe.
  • Neben Modellen wie den neu aufgelegten Nokia-Klassikern - zu meist deutlich günstigeren Preisen als im Smartphone-Segment - brachten zuletzt auch Unternehmen wie das New Yorker Start-up Light oder die Schweizer Firma Punkt funktionsreduzierte Handys als Lifestyle-Geräte heraus.

Iren Schulz, Mediencoach der Initiative "Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht", weiß, warum junge Leute wieder mehr offline erleben wollen.

Das ist das absolute Grundbedürfnis nach Bindung, exklusiver Zeit und Aufmerksamkeit.

Und diese Zeit soll ablenkungsfrei, ungestört von digitalen Einflüssen sein. In der Kindheit gehe es vor allem um die Aufmerksamkeit der Eltern, mit dem Älterwerden richte sich der Fokus dann eher auf Gleichaltrige. Ein Kaffee mit der Freundin ohne E-Mail-Benachrichtigung, ein Abend mit dem Partner ohne die Hektik zahlreicher Clips bei Tiktok - danach sehnen sich offenbar einige.

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Smartphone-Vorteile machen "Digital Detox" schwer

Doch wer "Digital Detox", das digitale Entgiften, einmal selbst ausprobieren will, merkt oft: Das ist gar nicht so leicht. Von dem Bewusstsein für eine hohe Mediennutzung zu einer tatsächlichen Verhaltensänderung ist es ein großer Schritt. Zu bequem, aber auch zu nützlich sind Smartphones im Alltag geworden. "Wir leben in einer ganz komplexen Zeit, in der tradierte Bindungen brüchig werden", sagt Schulz. Patchwork-Familien, entfernte Wohn- und Arbeitsorte, verschiedene Freizeit-Aktivitäten mit unterschiedlichen Freundeskreisen.

Für diesen hochkomplexen Alltag brauchen wir diese Geräte einfach.

Dazu kommt die Gewohnheit: Schulz kritisiert die öffentliche Debatte, die oft ausblende, dass Kinder und Jugendliche heute in einer extrem stark von Medien bestimmten Gesellschaft aufwachsen, "in der wir als Erwachsene und Eltern immer auch ein Smartphone vor der Nase haben".

Aus der Perspektive Jugendlicher sei dieses Medien-Überangebot verlockend:

Es ist ja schon immer so, dass die Jugendzeit eine hochgradig explorierende Zeit ist - so viele neue Kontakte, so viel zu entdecken, so offen und neugierig raus in die Welt wie nie mehr. Das, was Smartphone und Co. uns da an Potenzial liefern, ist ideal.

Expertin: Eigene Mediennutzung reflektieren

Daher fällt es nicht leicht, abgeschaute und gelernte Gewohnheiten einfach so abzulegen. Dennoch plädiert auch die Expertin für eine bewusstere Mediennutzung. Der wichtigste Schritt dorthin sei, überhaupt erstmal über die eigenen Nutzung zu sprechen und nachzudenken.

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Wie lange dürfen Kinder am Smartphone sein, welche Apps benutzen und wie können Eltern das kontrollieren? Dafür gibt es Bildschirmzeit-Apps.19.10.2023 | 2:39 min

Familienregeln für Nutzungszeiten, technische Social-Media-Sperrzeiten auf dem eigenen Smartphone und auch grundsätzlich funktionsreduzierte "Dumbphones", sind laut Schulz allesamt gute Werkzeuge zur Selbstregulierung. Dennoch betont sie:

Es geht nicht um eine generelle Kasteierei und es geht auch nicht darum, zu sagen: So, ab morgen kein Smartphone mehr.

Das sei "absolut weltfremd" und funktioniere überhaupt nicht mehr. Bewusste Entscheidungen, im Alltag auf Social-Media-Scrolling oder das Daddeln am Handy zu verzichten und Langeweile zuzulassen, seien der effektivste Weg, um wenigstens zeitweise vom Smartphone loszukommen. "Das ist wichtig, damit wir buchstäblich auch mal runterfahren können und im Hier und Jetzt sind", so Schulz.

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