Neuartige Zuckeralternativen: Chancen und Tücken der Novel Foods | Verbraucherzentrale.de (2024)

Der tägliche Zuckerkonsum liegt mit durchschnittlich knapp 120 Gramm (nach Ergebnissen der Nationalen Verzehrsstudie II) weit über der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, maximal zehn Prozent des täglichen Energiebedarfs in Form von Zucker zu decken. Bei einer Gesamtenergiezufuhr von 2.000 Kilokalorien pro Tag entspricht diese Empfehlung gerade einmal 50 Gramm.

Die Bundesregierung hat sich mit der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie (NRI)das Ziel gesetzt, eine gesundheitsförderliche Ernährung zu unterstützen. Die Rezepturen für Fertigprodukte sollen weniger Zucker, ungünstige Fette und Salz enthalten.

Wir stellen hier Zucker-Alternativen vor, die als Novel Food bereits zugelassen sind oder deren Zulassung noch geprüft wird:

Isomalto-Oligosaccharid

Isomalto-Oligosaccharid ist eine Mischung aus Oligosacchariden (Mehrfachzuckern) und Isomaltose mit einem geringen Anteil an Glucose und Maltose. Es wird aus Stärke gewonnen, hat eine ähnliche Süßkraft wie Zucker und liefert gleichzeitig etwa ein Drittel weniger Kalorien.

Isomaltulose (Markenname: Palatinose)

Isomaltulose ist wie Haushaltszucker auch ein Zweifachzucker aus Fructose und Glucose. Sie hat bei gleichem Kaloriengehalt wie Haushaltszucker die halbe Süßkraft, was zu einem höheren Verbrauch führen könnte. Isomaltulose lässt allerdings den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Haushaltszucker und gilt als zahnfreundlich.

Isomaltulose ist nicht zu verwechseln mit Isomalt, einem Zuckeraustauschstoff, der als Zusatzstoff E 953 zugelassen ist und in vielen Produkten Anwendung findet. Isomalt gilt nicht als neuartiges Lebensmittel.

Trehalose

Trehalose ist ein Zweifachzucker wie Haushaltszucker und hat genau so viele Kalorien - besteht aber aus zwei Glucosemolekülen. Nach EU-Recht muss deshalb in der Kennzeichnung der Hinweis "Trehalose ist eine Glucosequelle" erfolgen.

Sie wird aus Stärke gewonnen, lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Haushaltszucker und besitzt etwa die Hälfte von dessen Süßkraft, was einen nicht erwünschten Mehrverbrauch nach sich ziehen könnte.

Wie bei allen Ersatzstoffen, die mit Hilfe von Mikroorganismen aus Stärke gewonnen werden, kann bei der Herstellung Gentechnik im Spiel sein. Stammt die Stärke aus gentechnisch veränderten Pflanzen, ist eine Kennzeichnung der Gentechnik zwingend vorgeschrieben. Werden aber nur die Enzyme mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt, ist eine Kennzeichnung nicht vorgeschrieben.

Einige Menschen weisen einen Mangel an Trehalaseenzym auf und können Trehalose nicht verdauen. Die Folgen können Darmbeschwerden wie Krämpfe, Blähungen und Durchfall sein.

Sucromalt

Sucromalt ist ein komplexes Gemisch aus verschiedenen maltosehaltigen Kohlenhydraten. Das Gesamterzeugnis ist ein Sirup, der neben Oligosacchariden (Mehrfachzuckern) hauptsächlich Fructose und verschiedene Zweifachzucker enthält. Deshalb muss auch hier der Hinweis "Produkt ist eine Glucose- und Fructosequelle" auf dem Etikett angebracht werden. Sucromalt lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Haushaltszucker, liefert aber genauso viele Kalorien.

D-Tagatose

D-Tagatose ist ein Einfachzucker, der nahezu die Süßkraft von Haushaltszucker besitzt, dabei aber weniger als die Hälfte der Energie mit sich bringt. Auch soll die Resorption des Ersatzzuckers sehr langsam sein, so dass der Blutzuckerspiegel kaum ansteigt. Der Kaloriengehalt beträgt nur 1,5 Kilokalorien pro Gramm und liegt damit deutlich unter dem von Zucker (4 Kilokalorien pro Gramm).

Da Tagatose in höheren Mengen abführend wirkt und zu Darmbeschwerden führen kann, ist ab 15 Gramm pro Portion der Hinweis "kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken" vorgeschrieben – und bei Getränken, wenn mehr als ein Prozent Tagatose enthalten ist.

Tagatose gilt als zahnfreundlich. Es trägt als nicht fermentierbares Kohlenhydrat zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei, wenn es statt Zucker verwendet wird.

Zucker aus der Frucht der Kakaopflanze (Theobroma cacao L.)

Der Fruchtsaft der Kakaopflanze wird aus dem Fruchtfleisch der Kakaofrucht gewonnen und enthält von Natur aus Zucker, etwa Glucose, Fructose und Saccharose. Er wird teilweise von Start-ups als Saft verkauft oder von einigen Schokoladenanbietern zum Süßen von Kakaoprodukten verwendet.

Ob ein so gesüßtes Produkt Schokolade genannt werden darf, ist umstritten. Nach Kakaoverordnung muss eine Schokolade Zuckerarten enthalten. Welche das genau sind, steht aber nicht explizit in der Verordnung.

Ein bekannter deutscher Schokoladenhersteller behauptete Anfang 2021, dass seine mit Kakaofruchtsaft gesüßte Tafel nicht "Schokolade" heißen dürfte. Sie enthält zur Süßung Kakaofruchtsaft, der im Sinne der Kakaoverordnung keine Zuckerart wäre.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft dagegen sieht keinen Grund, ein solches Lebensmittel nicht als Schokolade zu bezeichnen, da die Kakaoverordnung die Verwendung zuckerhaltiger Zutaten nicht auf bestimmte Zuckerarten begrenzt. Weitere Informationen zu der Diskussion lesen Sie auf unserem Portal Lebensmittelklarheit.

Cellobiose

Cellobiose wurde 2023 als neuartige Lebensmittelzutat zugelassen. Dieser Zweifachzucker besteht aus 2 Bausteinen Glucose, die Beta-glycosidisch verknüpft sind. Der menschliche Organismus ist selbst nicht in der Lage diese Verbindung zu spalten und diesen Zucker aufzunehmen. Cellobiose gelangt deshalb bis in den Dickdarm, und wird dort durch Mikoorganismen des Mikrobiom aufgespalten. Cellobiose enthält ebenso viel Energie wie Zucker enthält (4 kcal/g). Sie ist geschmacksneutral, denn die Süßkraft beträgt nur 20 Prozent des Zuckers. Bei einer Aufnahme über 20 g täglich ist das Risiko unerwünschter Magen-Darm-Reaktionen erhöht.

Neuartige Zuckeralternativen ohne Zulassung

Für eine weitere Zuckeralternative wurde die Zulassung beantragt, für Allulose (auch: Piscose). Der Antrag wird von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gerade geprüft.

Wo kommen die neuartigen Zuckeralternativen zum Einsatz?

Mit Ausnahme des Kakaofruchtsafts, der inzwischen bei diversen Kakaoprodukten zum Einsatz kommt, sind uns bisher wenige Lebensmittel bekannt, bei denen die oben genannten neuartigen Zuckeralternativen angewendet werden.

Nachteile der Zuckeralternativen

Bei den beiden Zuckeralternativen Trehalose und Allulose besteht der Verdacht, dass sie bei regelmäßigem Verzehr das Wachstum von krankmachenden Bakterien im Darm begünstigen und es in der Folge bei geschwächten Personen zu einer Darmentzündung kommen kann. Die Datenlage ist bislang allerdings unzureichend und es besteht noch weiterer Forschungsbedarf.

Zucker lässt sich in Teigen und manch anderen Gerichten auch nicht so leicht ersetzen. Nicht nur aus geschmacklichen Gründen. Er dient auch als Füllmasse und bringt neben der Süße ganz typische Koch- und Backeigenschaften mit.

Fazit: Aufgrund des hohen Zuckerkonsums sind die meisten Westeuropäer an den süßen Geschmack gewöhnt. Die Reizschwelle für den süßen Geschmack ist dadurch bei vielen ziemlich hoch. Besser als Zucker nur durch Zuckerersatzstoffezu ersetzen, wäre es, den Zuckerkonsum allmählich zu reduzieren und sich langsam an einen weniger süßen Geschmack zu gewöhnen.

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